Dynamisches Storytelling: von der Fangemeinde weiterentwickelt

Als anschauliches Beispiel für dynamisches Storytelling: Die Geschichte eines Computerspiels, die eigenständig fortgeführt wird (an dieser Stelle meinen Dank an Sebastian für den Tipp).

„Papers, Please“ ist ein Simulationsspiel, das 2012 von Lucas Pope entwickelt und 2013 auf einer Spieleplattform publiziert wurde. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Passbeamten, der an der Grenze eines fiktiven Staates (das glorreiche Arstotzka) über die Einreisebegehren unterschiedlichster Personen entscheiden muss. Von seinen Entscheidungen hängt aber nicht nur die Einreise erwünschter, unerwünschter oder gar gefährlicher Personen ab, denn: Trifft er Fehlentscheidungen, wird ihm das kärgliche Gehalt gekürzt und seine Familie muss darunter leiden. So steht der Spieler auch hin und wieder vor der Frage, ob er aus Mitleid mit einer Person eine fragwürdige Entscheidung treffen soll oder nicht.

Mit seinem ungewöhnlichen Konzept fand das Spiel schnell eine große Fangemeinde. Bereits 2014 war das Spiel eine halbe Million Mal verkauft worden und wurde in der Kategorie „Strategie und Simulation“ der BAFTA Games Awards als bestes Spiel 2014 ausgezeichnet.

Die Begeisterung für das Spiel sorgte dafür, dass es von Spielern und Fans medienübergreifend aufgegriffen und mit eigenen kleinen Produktionen nachgemacht und erweitert wurde. Die meisten der filmischen Adaptionen zeigen Ausschnitte des Spiels (beispielsweise der englischsprachige Kanal von SuperMega oder als deutschsprachiges Beispiel LPL | Stefan), aber es gibt auch eigene Bearbeitungen, vom kleinen Animationsfilm (beispielsweise von Amir’s Animation) bis zu aufwändiger produzierten Animationen wie „Welcome To Arstotzka“ von Sharpnelization.

Sogar Landkarten mit den Grenzen zu den Nachbarländern und der historischen Entwicklung sind zu finden wie die „Alternate History of Papers Please“ von Vortex Mapping.

Neben diesen kleineren Produktionen sind aber auch anspruchsvollere Videos entstanden. Bereits kurz nach Erscheinen haben Alexander Roederer, Graham Stark und Paul Saunders von loadingreadyrun.com das Thema des Spiels 2013 mit einem amüsanten Videofilm umgesetzt. Ein ähnlicher Videoclip mit Jefferey Neely und Ian Conn aus dem Jahr 2015 ist mit deutschsprachigen Untertiteln von doormonster.tv publiziert worden.

Mit mehreren Millionen Aufrufen seit der Veröffentlichung im Jahr 2017 hat sich „Papers Please: Das Musical“ von Random Encounters sehr erfolgreich entwickelt – der Aufwand für Drehbuch, Musik und die Umsetzung hat sich durchaus gelohnt.

Zu den jüngeren, aber ebenso erfolgreichen Produktionen gehört ein 10-minütiger Kurzfilm aus dem Jahr 2018, hergestellt und veröffentlicht von dem russischen Nachwuchsregisseur Nikita Ordynskiy mit Produzentin Liliya Tkach. Es gibt auch ein Making-of des Kurzfilms, allerdings nur in russischer Sprache und ohne Untertitel.

Diese Videofilme rund um „Papers, Please“ zeigen beispielhaft, wie ein faszinierend inszeniertes Thema sein Publikum dazu anregen und inspirieren kann, ganz eigene Beiträge zu entwickeln und online zu stellen und auf diese Weise ein Story-Universum zu schaffen.

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