Storytelling – wer sich noch nie mit dem Thema beschäftigt hat, für den klingt es erst einmal nach einem weiteren unnötigen Anglizismus aus dem hochtrabenden Marketingsprech. Dabei bedeutet Storytelling im Grunde nichts anderes als das Erzählen von Geschichten: der Begriff setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern für Geschichte (story) und Erzählen (telling).
Storytelling – wer sich bereits mit dem Thema beschäftigt hat, für den klingt das Wort nach Hollywood oder nach den Werbekampagnen internationaler Konzerne mit astronomisch hohen Werbebudgets. Für ein kleineres oder mittelständisches Unternehmen sind diese Kampagnen wegen ihrer Kosten jenseits von Gut und Böse angesiedelt.
Dabei ist Storytelling auch mit kleineren Werbebudgets möglich. Um über Lieferanten oder Kunden zu erzählen, muss keine Filmcrew um die halbe Welt geschickt werden. Viel lässt sich auch mit einfachen Bordmitteln in kurzen Texten oder wenigen Bildern erzählen – wie das im Einzelnen funktionieren kann, erfahren Sie im Lauf des Buches noch ausführlich.
Erzählen als unser evolutionäres Erbe
Aber warum wirken Geschichten so gut? Das hat mit unserem evolutionären Erbe zu tun: Geschichten gibt es seit uralten Zeiten und in allen Gesellschaften und Kulturen. Sie dienten zum Bewahren von Weisheiten und Wahrheiten, als Gleichnis zum Orientieren, als Instanz zum Vermitteln von Wissen und Inhalten, als Impulse für eigene Ideen.
Aus Geschichten lernen
Ganz früher saßen die Menschen abends ums Lagerfeuer und erzählten sich Geschichten. Die älteren in der Runde tauschten sich aus über Lebens- oder Jagdgeschichten oder über den Umgang mit Krankheiten bei Mensch und Tier – und die jüngeren hörten zu. Oder anders ausgedrückt: Beim Geschichtenerzählen ging es nicht nur um den reinen Unterhaltungswert, es ging auch darum, aus den Erfahrungen der Erzähler zu lernen.
Vermutlich ist in dieser Zeit unser Hirn darauf geprägt worden, neugierig auf Geschichten zu sein und vom Erfahrungswissen der Sippe zu profitieren.
Gemeinsame Werte weitergeben
Es ging aber nicht nur darum, von den Überlebensstrategien der Älteren im Kampf oder auf der Jagd zu lernen. Auch die Ideale und Werte der Gemeinschaft wurden so überliefert. Zum Beispiel in Geschichten über das Miteinander, über das Verhältnis von Jung und Alt oder die Rollenbilder von Mann und Frau oder wie auf verschiedene Ereignisse reagiert werden kann.
Mit der Zeit entwickelten sich daraus auch Geschichten über Götter und Mythen, die ebenfalls dazu beitrugen, die Wertvorstellungen und Regeln der Gemeinschaft als Vorbild für das eigene Handeln zu bewahren und weiterzugeben.
Geschichten zeigen Konflikte und Herausforderungen und den Umgang damit. Was ist gut, was ist böse, was ist Recht und was ist Unrecht, was bringt Lob und Anerkennung beziehungsweise Erfolg oder Misserfolg – in Geschichten werden gemeinschaftliche Werte und Normen, die Grundlage für Moralvorstellungen, Glaube und Rechtsprechung vermittelt.
Weil das Erzählen so fest zur kulturellen Entwicklung dazugehört, ist die Welt inzwischen voller Geschichten: Göttergeschichten, Mythen, Epen (z.B. die Nibelungen), Legenden und Sagen (z.B. König Artus), Bibelgeschichten, Novellen, Romane, Märchen usw. Modernere Formen von Geschichten sind zu finden in Comics, in Zeitungen und Magazinen, in TV-Serien und Kinofilmen und nicht zuletzt in (Computer-)Spielen.
- Wir alle wachsen mit Geschichten auf. Von den ersten Bilderbüchern und Märchen bis zu Abenteuerromanen, von den Geschichten im Kino und im Fernsehen bis zu dem, was in Zeitungs- oder Online-Artikeln erzählt wird. Unser Gehirn wird geprägt von den Strukturen und Mustern in diesen Geschichten – und es giert stets nach neuen Geschichten.
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